Podcast-Folge 13: „Du bist doch nur da, weil du hübsch bist“
Oberflächlichkeit und Neid in der Szene
Besonders Frauen, feminine Darsteller oder „hübsche Menschen“ hören oft, sie hätten sich ihre Bühne nicht „verdient“. Harte Angriffe, die wenig mit Cosplay-Leistung zu tun haben. Bittere Realität für viele.
Podcast-Folge 13: „Du bist doch nur da, weil du hübsch bist“ – Oberflächlichkeit und Neid in der Szene
Es fängt oft harmlos an. Ein Kompliment, ein Blick, ein Kommentar auf Social Media. „Wow, du siehst ja mega aus!“ „Krasser Body.“ „Hot af.“ Und dann kommt der Nachsatz – manchmal leise, manchmal offen ins Gesicht: „Klar, dass du Aufmerksamkeit bekommst. Du bist halt hübsch.“
Was wie eine Feststellung klingt, ist in Wahrheit ein Schlag ins Gesicht.
Denn was da mitschwingt, ist nicht Anerkennung – sondern Abwertung. Als hätte Aussehen den Wert des Cosplays ersetzt. Als ginge es nicht mehr um Arbeit, Aufwand oder Leidenschaft.
Sondern nur noch darum, wie gut jemand auf einem Foto aussieht.
Ich habe in den letzten Jahren mit vielen Cosplayerinnen gesprochen, die genau das erlebt haben.
Die stundenlang an Details geschliffen haben, die bis spät in die Nacht genäht, geklebt, gebaut haben. Und was bleibt hängen? „Die kriegt nur Likes wegen ihrer Titten.“ „Die ist doch nur Fame, weil sie gut aussieht.“ „Ohne ihr Gesicht würde sie keiner kennen.“
Und das trifft. Nicht nur, weil es ungerecht ist. Sondern weil es leise an einem nagt. Weil es einem das Gefühl gibt, dass die eigene Leistung nichts zählt. Dass der Respekt, den man bekommt, nicht ehrlich gemeint ist. Dass hinter jeder Anerkennung ein Zweifel lauert: „Bin ich wirklich gut – oder sieht es nur gut aus?“
Besonders hart trifft es dabei oft Frauen oder feminine Darsteller. Wenn du einem gängigen Schönheitsideal entsprichst – schlank, kurvig, symmetrisches Gesicht – dann bist du verdächtig. Dann musst du dich doppelt beweisen. Nicht, um Anerkennung zu bekommen – sondern um sie dir verdienen zu dürfen.
Und das ist bitter. Denn die Szene, die für Vielfalt, Akzeptanz und kreative Freiheit steht, reproduziert genau das, was wir draußen oft erleben: Neid. Misstrauen. Abwertung. Vor allem dann, wenn jemand im Mittelpunkt steht, den andere dort nicht sehen wollen.
Manche Cosplayerinnen haben mir erzählt, dass sie bewusst ihre Outfits ändern. Weniger Ausschnitt. Weniger körperbetont. Nicht, weil sie sich so wohler fühlen – sondern weil sie weniger Angriffsfläche bieten wollen. Weil sie keine Lust mehr auf Sprüche haben wie: „Klar, du brauchst ja nur ein bisschen Haut zeigen und kriegst sofort Likes.“ Oder: „Die macht das doch nur für die Aufmerksamkeit.“
Was viele nicht sehen: Hinter einem „sexy“ Cosplay steckt genauso viel Arbeit wie hinter einer aufwändigen Rüstung. Oft sogar mehr – weil jede Naht, jede Pose, jede Unsicherheit doppelt beobachtet wird. Weil der Spagat zwischen Selbstdarstellung und Selbstschutz brutal anstrengend ist. Weil jede Reaktion im Netz ein Trigger sein kann. Und weil man ständig das Gefühl hat, sich rechtfertigen zu müssen: Für die Figur. Für den Look. Für den Erfolg.
Es ist ein verdrehter Maßstab, den die Szene da anlegt. Wer besonders gut aussieht, gilt schnell als oberflächlich. Wer gefeiert wird, muss sich erklären.
Und wer beliebt ist, wird misstrauisch beäugt. Dabei steckt hinter den meisten „Erfolgscosplays“ nicht nur Talent – sondern auch Disziplin, Planung, Belastbarkeit.
Und ja – natürlich gibt es Cosplayer, die mit ihrem Aussehen arbeiten. Natürlich spielt Attraktivität in Social Media eine Rolle. Aber wer entscheidet, wann das ein Problem ist? Warum ist es okay, wenn ein aufwändiges Cosplay gefeiert wird, aber ein „sexy“ Cosplay plötzlich als billig oder „Fame-Geilheit“ abgestempelt wird?
Was hier passiert, ist ein Machtspiel. Eine subtile Art, andere kleinzumachen, um sich selbst besser zu fühlen. „Die ist nur erfolgreich, weil sie hübsch ist“ klingt harmlos – ist aber nichts anderes als: „Ich gönn’s ihr nicht. Ich will, dass sie sich schlecht fühlt.“
Und das trifft nicht nur die Betroffenen. Das zersetzt die Szene. Es schafft Misstrauen, Konkurrenz, Spaltung. Und es frisst genau die Energie auf, die man für echte Kreativität bräuchte.
Die Frage ist: Warum fällt es uns so schwer, Schönheit und Leistung nebeneinander stehen zu lassen? Warum kann jemand nicht einfach hübsch und verdammt gut in dem sein, was er tut?
Vielleicht, weil wir selbst oft an unserem Wert zweifeln. Weil es einfacher ist, jemand anderem den Erfolg abzusprechen, als sich mit der eigenen Unsicherheit auseinanderzusetzen.
Vielleicht, weil wir nie gelernt haben, Anerkennung zu geben, ohne dabei etwas zu verlieren.
Und vielleicht auch, weil die Szene – so offen sie oft scheint –
immer noch mit alten Denkmustern kämpft: Dass Frauen sich zurücknehmen sollen. Dass zu viel Selbstbewusstsein verdächtig ist. Dass wer sichtbar ist, sich gefallen lassen muss, bewertet zu werden.
Aber genau da müssen wir hinsehen. Und genau das müssen wir brechen.
Denn niemand schuldet der Szene ein „unauffälliges“ Auftreten.
Niemand muss sich kleiner machen, um ernst genommen zu werden.
Und niemand darf dafür verurteilt werden, dass er gut aussieht – oder sich gut in Szene setzt.
Wenn du dich in einem Kostüm schön fühlst, dann ist das keine Schwäche.
Dann ist das keine Provokation. Dann ist das kein Aufruf zur Bewertung. Es ist einfach nur: dein verdammtes Recht.
Und wenn jemand meint, du wärst nur erfolgreich, weil du hübsch bist – dann sagt das mehr über ihn aus als über dich.
Denn Respekt ist keine Frage der Körperform. Wertschätzung ist keine Rechenformel aus Brustgröße und Instagram-Likes. Und Cosplay ist kein Wettbewerb darum, wer am wenigsten „zu perfekt“ wirkt.
Du darfst leuchten. Du darfst Raum einnehmen.
Du darfst zeigen, was du kannst – egal, wie du aussiehst.
Lass dir nicht einreden, du hättest dir deinen Platz nicht verdient.
Bleib mutig! – Dein ArtymusCrafts
