Podcast-Folge 14: Altersdiskriminierung im Cosplay
Wenn du angeblich „zu alt“ bist
Ein Punkt, über den keiner spricht, aber viele fühlen ihn: Ab 30+ wird man oft belächelt oder nicht mehr ernst genommen. „Cosplay ist doch was für Junge“ – diesen Bullshit bekommen viele zu hören. Ein Tabuthema, das du als Crafting-Veteran verdammt gut einordnen könntest.
Podcast-Folge 14: Podcast-Folge: Altersdiskriminierung im Cosplay – Wenn du angeblich „zu alt“ bist
Es gibt diesen Moment. Du ziehst dein Cosplay an, stehst vor dem Spiegel, fühlst dich stark – weil du weißt, wie viel Arbeit, Zeit, Herzblut in diesem Outfit steckt. Und dann kommt dieser eine Spruch. „Für dein Alter siehst du echt noch gut aus.“ Oder schlimmer: „Cosplay? Machen das nicht eher die Jüngeren?“ Oder einfach dieses irritierte Stirnrunzeln, das gar nichts sagen muss, weil es schon alles sagt.
Und du spürst sofort: Du bist nicht gemeint. Nicht mehr. Weil du ein paar Falten mehr im Gesicht hast. Weil du keine Anfang-20 mehr bist. Weil dein Körper vielleicht nicht dem entspricht, was sie in ihren Instagram-Feeds gewohnt sind.
Diese Art von Altersdiskriminierung ist leise.
Aber sie sitzt tief. Sie kommt nicht als offener Angriff – sie kommt in kleinen Bemerkungen, in Blicken, in der Art, wie man dich plötzlich behandelt. Nicht mehr als Teil der Szene. Sondern als… Randnotiz.
Und das ist ein Schlag ins Gesicht.
Weil Cosplay doch eigentlich für alle sein sollte. Weil es doch darum geht, kreativ zu sein. Leidenschaftlich. Völlig egal, ob du 16, 36 oder 66 bist. Aber die Realität sieht oft anders aus.
Ab einem gewissen Alter – und das ist bei manchen schon ab Ende 20 – wirst du von manchen schräg angeschaut. Da heißt es dann: „Cosplay ist doch eher was für die Jungen.“ „Wolltest du dich nicht langsam mal auf was Seriöses konzentrieren?“ Oder ganz subtil: „Ach, du bist auch Cosplayer? Hätt ich jetzt nicht gedacht.“
Ich sag dir was: Scheiß auf diesen Unsinn.
Ich habe mit Cosplayern gesprochen, die 40, 50, 60 Jahre alt sind. Menschen mit Kindern. Mit Vollzeitjobs. Mit grauen Haaren und krummen Rücken vom Bauen. Und weißt du was?
Die brennen für dieses Hobby. Mehr als manche 20-Jährige. Weil sie gelernt haben, was es heißt, sich etwas zu erarbeiten. Weil sie nicht alles posten müssen – sondern einfach machen.
Aber die fühlen sich oft unsichtbar.
Nicht willkommen. Nicht mehr ernst genommen. Sie stehen auf Cons, haben vielleicht ihr erstes Cosplay an – und spüren sofort, dass sie nicht ins Idealbild passen. Nicht jung. Nicht schlank. Nicht hip.
Und trotzdem:
Sie stehen da. Mit Respekt. Mit Leidenschaft. Mit Geschichte. Sie tragen Charaktere, die sie lieben – manchmal sogar schon seit Jahrzehnten. Und sie haben verdammt nochmal jedes Recht, genau da zu sein.
Denn Cosplay kennt kein Alter.
Punkt. Ein 50-Jähriger, der einen Anime-Charakter spielt? Großartig. Eine 45-Jährige, die ein Sailor-Moon-Kostüm näht? Verdammter Respekt. Ein Pärchen, das gemeinsam Elder-Scrolls-Rüstungen baut, obwohl sie beide längst Enkel haben? Besser geht’s nicht.
Aber stattdessen wird bewertet.
„Zu alt.“ „Passt nicht.“ „Irgendwie unangenehm.“ Diese Bewertungen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft – nicht der Szene. Denn wer sagt, was „zu alt“ für Freude ist? Wer entscheidet, wann man aufhören soll, sich auszudrücken?
Die Wahrheit ist:
Je älter du wirst, desto stärker musst du manchmal sein, um dir dein Recht auf Leidenschaft zu nehmen. Desto klarer musst du sagen: „Ich gehöre hierher.“ Nicht, weil du dich beweisen musst – sondern weil du es nicht mehr musst.
Ich sehe das auf Messen.
Ich sehe Menschen, die ihre Kinder begleiten – und dabei selbst Cosplay tragen. Ich sehe Väter, die mit ihren Töchtern gemeinsam basteln. Mütter, die mit Mitte 40 ihr erstes Cosplay auf der Bühne präsentieren. Und ich sehe, wie sie strahlen. Wie stolz sie sind. Und wie oft sie sich trotzdem entschuldigen, dass sie da sind.
Weil sie sich rechtfertigen müssen für ihre Existenz in einer Szene, die angeblich „jung“ sein muss.
Was für ein verdrehter Wahnsinn.
Cosplay ist kein Jugendclub. Es ist kein Schönheitswettbewerb. Und es ist ganz sicher kein Spielplatz, der ab 30 abgesperrt wird.
Cosplay ist Ausdruck. Eine Bühne, auf die jeder darf. Eine Kunstform, die nicht fragt, wie alt du bist – sondern wie sehr du liebst, was du tust.
Und das ist der Punkt, an dem wir alle die Verantwortung tragen. Junge Cosplayer, alte Hasen, Einsteiger, Veteranen. Wir müssen hinschauen, wenn Leute sich ausgeschlossen fühlen. Wenn jemand sich nicht traut, weil er „zu alt“ ist. Wenn einer zögert, sein Cosplay zu zeigen, weil er nicht mehr „reinpasst“.
Wir müssen laut sagen:
Du gehörst dazu. Nicht trotz deines Alters – sondern wegen deines Alters. Weil du Erfahrung mitbringst. Ruhe. Tiefe. Weil du zeigst, dass Cosplay kein Trend ist – sondern eine Leidenschaft, die bleibt.
Ich selbst bin über 50. Und ich werde nicht aufhören, zu basteln, zu nähen, zu bauen.
Weil es mich erfüllt. Weil es mir Kraft gibt. Und weil ich weiß, wie viele von euch da draußen genau das Gleiche fühlen.
Also: Lass dir nie einreden, du wärst zu alt. Und nur weil jemand jünger aussieht oder mehr Reichweite hat, heißt das nicht, dass er mehr zu sagen hat. Denn du hast dir deinen Platz hier mehr als verdient.
Bleib mutig! – Dein ArtymusCrafts
