Podcast-Folge 16: Cosplay ist kein Wettbewerb“
Warum dieser Satz so oft gelogen ist
Man hört ihn ständig.
„Cosplay ist kein Wettbewerb.“
Ein Satz, der wie eine warme Decke wirken soll. Wie eine kleine Umarmung.
Und manchmal, ganz ehrlich, sag ich ihn sogar selbst.
Zu Kunden, die nervös an ihrem ersten Rüstungsbau sitzen. Zu Anfänger:innen, die ihre erste Con besuchen und Angst haben, nicht gut genug zu sein.
Einfach, um ihnen ein bisschen den Druck zu nehmen.
Aber weißt du was?
So nett dieser Satz auch klingt – er ist in vielen Fällen eine glatte Lüge.
Nicht, weil Cosplay immer ein Wettbewerb sein muss.
Sondern, weil es sich verdammt oft genauso anfühlt.
Du gehst auf eine Con, trägst dein Cosplay mit Stolz, hast vielleicht Monate daran gebaut. Und dann passiert’s:
Jemand steht neben dir mit dem exakt selben Charakter – nur mit LEDs, Rauchmaschine, perfektem Make-up und einem Instagram-Kanal mit 30k Followern.
Und obwohl du weißt, dass du stolz auf dein Werk sein solltest…
fängt dieser kleine, miese Vergleich im Kopf an zu nagen.
„Die ist viel besser.“
„Ich seh dagegen aus wie ein Witz.“
Kein Wettbewerb, ja?
Und es geht noch weiter.
Du lädst dein Cosplay-Foto hoch. Vielleicht bekommst du 30 Likes.
Die andere Person – 3000.
Der Algorithmus liebt sie, die Community feiert sie.
Du bekommst vielleicht einen „Nice!“
Sie bekommt Kommentare wie „Queen“, „Ich sterbe“ oder „Du bist die perfekte Version“.
Und plötzlich fühlt sich alles, was du getan hast, klein an.
Nicht, weil es objektiv schlecht ist.
Sondern weil wir inzwischen gelernt haben, Erfolg in Zahlen zu messen.
Und dann gibt es ja noch die echten Wettbewerbe.
Die Cosplay-Contests. Da, wo’s um Preise geht. Pokale. Ehre.
Und ja – die haben ihre Berechtigung.
Das sind Orte, wo Skills gemessen werden.
Wo du dich mit anderen vergleichst, weil du selbst entschieden hast, dich zu messen.
Aber was viele vergessen:
Auch die, die nicht auf der Bühne stehen, erleben oft einen stillen Wettbewerb.
Wer hat die bessere Verarbeitung? Wer sieht mehr nach dem Original aus? Wer hat mehr Aufwand betrieben?
Conventions sind oft Laufstege.
Ohne Jury. Ohne Anmeldung.
Aber mit verdammt vielen Blicken.
Ich hab über die Jahre mit unzähligen Cosplayer:innen gesprochen.
An meinem Stand. Bei Workshops. Hinter den Kulissen.
Und ich kann dir sagen:
Die wenigsten machen dieses Hobby nur für sich.
Auch wenn sie’s gern glauben würden.
Da steckt ganz oft der Wunsch nach Anerkennung drin.
Gesehen werden. Wertgeschätzt werden.
Und das ist völlig legitim.
Wir sind Menschen. Und Menschen vergleichen sich.
Das ist kein Makel. Das ist Realität.
Was mich so ankotzt an diesem ganzen „Cosplay ist kein Wettbewerb“-Gerede?
Es tut so, als müssten wir uns alle liebhaben, als ginge’s nur um Spaß und Glitzer.
Aber die Wahrheit ist: Viele kriegen Magenschmerzen vor der Con.
Weil sie wissen, da stehen andere, die’s besser machen. Weil sie denken, sie müssen mithalten.
Weil sie auf Likes hoffen und enttäuscht sind, wenn nichts kommt.
Und dann kommt irgendein Kommentartyp daher und ballert dir ins Gesicht:
„Cosplay ist doch kein Wettbewerb, entspann dich mal.“
Weißt du was? Halt die Klappe.
Wenn’s sich für jemanden wie ein Wettbewerb anfühlt, dann ist es einer.
Punkt.
Und dann muss man nicht so tun, als wäre alles Friede, Freude, Fandom.
Klar, du kannst sagen: Ich mach’s nur für mich.
Aber wie oft glaubst du das wirklich? Wie oft bist du nicht doch enttäuscht, wenn kaum einer reagiert?
Wie oft fühlst du dich mies, weil der andere halt das bessere Licht, das bessere Make-up oder den besseren Körper hat?
Cosplay ist emotional aufgeladen. Und das ist auch okay so.
Aber man sollte nicht so tun, als wär jeder, der sich mal vergleicht, gleich ego-getrieben oder unsicher.
Vergleichen ist menschlich.
Die Frage ist: Bleibst du dabei fair zu dir selbst – oder gehst du dabei kaputt?
Ich hab zu viele gesehen, die sich aufgefressen haben von diesem unterschwelligen Druck.
Die immer härter gebaut, immer mehr investiert, immer professioneller geschossen haben –
und irgendwann stand da kein Mensch mehr im Kostüm, sondern nur noch ein brennender Wunsch nach Gesehenwerden.
Aber keiner hat’s gesehen.
Weil diese Bühne da draußen verdammt oft auf Lautstärke statt auf Inhalt hört.
Also ja – Cosplay ist manchmal ein Wettbewerb.
Ein leiser. Ein unausgesprochener.
Einer, der zwischen den Zeilen stattfindet.
Aber es liegt an dir, wie weit du da mitspielst.
Und wenn du merkst, du gehst dran kaputt, dann steig aus – und nicht leise, sondern mit Ansage.
Sag dir selbst: Ich muss hier niemandem was beweisen.
Nicht in Rüstung, nicht mit Bauchfrei, nicht auf Instagram, nicht auf der Bühne.
Wenn du’s schaffst, dein eigenes Maß zu finden – dann hast du gewonnen.
Nicht gegen andere.
Sondern für dich.
Und das ist der einzige Sieg, der wirklich zählt.
Bleib mutig. – Dein ArtymusCrafts
