Podcast-Folge 3: Bodyshaming
Podcast-Folge 3: Bodyshaming – Wenn der Körper zur Zielscheibe wird
Es gibt diesen Moment, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht.
Du stehst auf einer Con, trägst das Kostüm, an dem du wochenlang gearbeitet hast. Du hast genäht, geschliffen, geklebt – du hast Mut gesammelt, dich gezeigt.
Und dann kommt dieser Blick.
Oder ein Kommentar.
Vielleicht direkt ins Gesicht gesagt. Vielleicht nur im Vorbeigehen. Vielleicht in einem Online-Kommentar unter einem Foto, das du stolz gepostet hast.
Ein Satz – und alles bricht in sich zusammen.
„Der Charakter ist doch dünner.“
„Warum cosplayst du das, wenn du nicht so aussiehst?“
„Das passt halt nicht zu deinem Körper.“
Bodyshaming.
Offen ausgesprochen. Oder leise, aber schneidend. Und manchmal braucht es nicht mal Worte – der Blick reicht. Die Mimik. Dieses Abwertende, das du schon zu oft gespürt hast.
Es ist ein Tabuthema in der Szene, obwohl es so viele betrifft. Weil niemand gerne zugibt, wie weh es tut. Weil alle funktionieren wollen. Stark sein. Über den Dingen stehen. Weil man sich einredet, dass es nicht so schlimm ist – obwohl es das ist.
Ich höre oft genau diese Geschichten. Menschen, die anfangen zu cosplayen, weil sie sich ausdrücken wollen. Weil sie Teil von etwas sein wollen. Weil sie sich etwas trauen.
Und die dann in ihrer verletzlichsten Form getroffen werden: dem eigenen Körper.
Da sind Cosplayer, die monatelang planen, weil sie sichergehen wollen, dass alles „passt“. Nicht im Sinne von akkurat – sondern im Sinne von: dass sie keine Angriffsfläche bieten.
Sie bauen Rüstungen, um sich zu schützen. Nähen weite Stoffe, um zu verstecken. Fotografieren nur aus bestimmten Winkeln. Posten nur mit Filtern. Und manche posten gar nichts mehr.
Manche hören ganz auf. Nicht, weil sie keinen Spaß mehr am Cosplay haben. Sondern weil sie das Gefühl haben, nicht „dazuzugehören“. Weil ihnen eingeredet wurde, dass ihr Körper nicht „richtig“ ist.
Aber was heißt „richtig“? Was heißt „akkurat“, wenn ein Mensch hinter dem Kostüm steht, kein Comic? Was heißt „passend“, wenn es um Fantasie geht?
Cosplay war nie dazu gedacht, Grenzen zu setzen.
Es war dazu gedacht, sie zu sprengen. Und trotzdem ist genau dieses Thema so tief verwurzelt – manchmal subtil, manchmal brutal direkt.
Ich habe Cosplayer gesehen, die erst lachen, wenn sie solche Kommentare hören – weil sie gelernt haben, dass das erwartet wird.
Aber irgendwann lachen sie nicht mehr.
Sie ziehen sich zurück. Oder gehen nur noch „sichere“ Rollen. Oder fragen sich, ob sie überhaupt cosplayen „dürfen“.
Und genau das ist der Punkt, an dem es kippt.
Wenn ein Hobby, das stärken sollte, anfängt, zu brechen.
Wenn das Kostüm, das man mit Stolz tragen wollte, plötzlich wie eine Zielscheibe wirkt.
Und weißt du was? Das liegt nicht an dir.
Das liegt an einer toxischen Erwartungshaltung, die nichts mit Cosplay zu tun hat – aber sich eingeschlichen hat. An Menschen, die ihre Unsicherheit auf andere projizieren.
An einer Kultur, die Leistung mit Aussehen verwechselt.
Es ist leicht zu sagen: „Ignorier es doch.“
Aber das geht nicht immer. Manchmal trifft es dich genau dort, wo du eh schon kämpfst.
Weil du deinen Körper vielleicht eh nicht magst. Oder weil du gerade erst lernst, dich zu akzeptieren.
Und genau da beginnt der eigentliche Weg.
Nicht darin, dich zu verändern, damit andere dich weniger angreifen. Sondern darin, dir zu erlauben, du selbst zu sein – mit allem, was du bist.
Ich habe Cosplayer gesehen, die zurückgekommen sind. Die ihren eigenen Weg gefunden haben. Die sich erlaubt haben, das zu tragen, was sie lieben – nicht das, was „erlaubt“ ist.
Und ich habe gesehen, wie sich etwas verändert, wenn du nicht mehr alleine bist mit dem Gefühl.
Wenn du dich verbindest mit anderen, die auch getroffen wurden.
Wenn ihr euch gegenseitig stärkt. Wenn ihr auf Cons gemeinsam auftretet, euch supportet, euch schützt.
Es fängt klein an – mit einem Kommentar, der kein Urteil ist, sondern ein Lob.
Mit einem Like unter einem Foto, das nicht „perfekt“, aber echt ist.
Mit einem Raum, in dem jede Körperform willkommen ist – ohne Wenn und Aber.
Cosplay darf kein Club für Idealbilder sein.
Es muss ein Raum für Mutige sein – für jeden, der sich traut, zu zeigen, was in ihm steckt.
Und wenn du gerade an dem Punkt bist, an dem du zweifelst – dann hör zu:
Du bist nicht falsch. Dein Körper ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass irgendwer vergessen hat, worum es hier wirklich geht.
Es geht um Kreativität. Um Leidenschaft. Um Ausdruck.
Es geht darum, eine Figur zu feiern – nicht zu imitieren. Du bist nicht weniger cosplaywürdig, weil dein Bauch sichtbar ist. Oder deine Oberschenkel. Oder deine Narben. Oder dein Gewicht.
Du bist cosplaywürdig, weil du Bock hast. Weil du leuchtest, wenn du in deinem Element bist. Weil du etwas erschaffst, das aus dir kommt – nicht aus Photoshop.
Und vielleicht bist genau du der Grund, warum jemand anders sich traut.
Weil du sichtbar bleibst. Weil du nicht gehst. Weil du nicht zulässt, dass andere definieren, wer dazugehören darf.
Du musst nicht perfekt sein. Du musst nicht gefallen. Du musst nur du selbst sein. Denn genau das ist das, was zählt.
Bleib sichtbar.
Bleib mutig! – Dein ArtymusCraft
