Podcast-Folge 8: Erwartungsdruck
Von außen und von innen
Es fängt oft schleichend an.
Ein Kommentar hier, ein Blick dort. Vielleicht ein Gespräch mit Freunden, bei dem man merkt, wie hoch die Messlatte mittlerweile hängt. Oder einfach das Gefühl, dass man mithalten muss – weil alle anderen irgendwie produktiver, besser, beliebter oder weiter scheinen. In der Cosplayszene kann Erwartungsdruck zu einem unsichtbaren Mitspieler werden, der ständig mit am Tisch sitzt. Und manchmal sitzt er direkt auf deinen Schultern.
Der Druck von außen ist oft leicht zu benennen:
Du hörst Sätze wie „Machst du wieder nichts fürs nächste Event?“ oder „Oh, das ist aber wenig aufwendig für deine Verhältnisse.“
Oder du siehst in den sozialen Medien, was andere alles schaffen – komplexe Builds, perfekte Shootings, krasse Reichweite. Und auch wenn niemand es dir direkt sagt: Es fühlt sich an, als würde die Szene etwas von dir erwarten.
Aber der viel gemeinere Druck kommt von innen.
Diese Stimme, die dich fragt, ob du gut genug bist. Ob das reicht, was du tust. Ob du überhaupt noch mithalten kannst. Die Stimme, die dich antreibt, auch wenn du längst keine Energie mehr hast. Die dich abwertet, wenn du eine Pause machst. Die dich vergleicht. Mit Leuten, die scheinbar nie müde sind, nie scheitern, nie aufhören – zumindest in ihrer Außendarstellung.
Das ist keine Seltenheit.
Ich höre es immer wieder: Cosplayer, die sich selbst fertig machen, weil sie seit Wochen „nichts geschafft“ haben. Die in sich zusammenfallen, weil ein Cosplay nicht rechtzeitig zum Con-Wochenende fertig wurde. Die sich selbst ihre Freude nehmen, weil sie denken, es sei nicht genug.
Und ehrlich: Das ist nicht nur schade – das ist toxisch.
Denn was hier passiert, ist eine Verschiebung. Aus einem kreativen, leidenschaftlichen Hobby wird ein innerer Wettbewerb. Gegen andere. Und gegen sich selbst. Ein Kampf um Anerkennung, um Sichtbarkeit, um Relevanz. Aber dieser Kampf hat keinen Gewinner. Nur Erschöpfung.
Die meisten Leute, die ich auf Messen, in Workshops oder privat erlebe, stehen irgendwann an diesem Punkt:
Sie fragen sich, warum sich das Ganze plötzlich so schwer anfühlt. Warum das, was sie einmal erfüllt hat, sie jetzt stresst. Warum sie das Gefühl haben, dass sie nicht mehr einfach „nur cosplayen“ können.
Und die Antwort ist meistens: Weil Erwartungen auf ihnen lasten, die nie ausgesprochen wurden – aber immer spürbar sind.
Das fiese ist: Erwartungsdruck funktioniert lautlos.
Es braucht kein klares Urteil von außen. Es reicht schon das Gefühl, dass andere mehr erwarten. Oder dass man sich selbst nicht genügen darf. Und dann beginnt der innere Stress:
„Ich muss das neue Cosplay bis XY schaffen.“
„Ich kann doch jetzt nicht ohne Content drei Wochen Pause machen.“
„Alle warten darauf, dass ich das nächste große Ding mache.“
Das ist ein Teufelskreis.
Denn je mehr du dich antreibst, desto mehr verlierst du oft den Blick für das, was dir eigentlich wichtig ist.
Warum hast du mit Cosplay angefangen?
Was war dein Auslöser? Was hat dir Freude gemacht?
War es der Applaus? Die Likes? Die Anerkennung?
Oder war es der Moment, wenn du dein Werk in der Hand hältst – und dich selbst darin wiedererkennst?
Es braucht Ehrlichkeit. Dir selbst gegenüber.
Du darfst dir zugestehen, dass du nicht immer abliefern musst.
Du darfst auch einfach da sein – ohne Output.
Du darfst atmen, statt zu posten.
Du darfst ein unfertiges Cosplay zeigen oder gar keines.
Du darfst einfach nur du sein – auch dann, wenn du gerade nicht funktionierst.
Denn dieser Druck, den du spürst – der ist oft ein Konstrukt.
Aufgebaut aus Erwartungen, die nie wirklich ausgesprochen wurden.
Er lebt davon, dass du glaubst, du musst etwas beweisen.
Aber wem eigentlich?
Wenn du das Gefühl hast, du wirst nur gesehen, wenn du performst – dann liegt das nicht an deinem Wert, sondern an dem System, das dich in diese Schleife zieht.
In Social Media. In Fan-Erwartungen. In Rankings.
Aber: Du bist mehr als dein Output.
Der innere Druck entsteht oft auch aus einem Bedürfnis nach Kontrolle. Wenn das Leben wackelt, will man wenigstens hier funktionieren.
Aber du bist kein Projekt. Du bist ein Mensch.
Du darfst Fehler machen. Du darfst Pausen machen. Du darfst langsam sein.
Und wenn dich jemand dafür verurteilt, ist das kein Maßstab für dich – sondern ein Spiegel ihres eigenen Drucks.
Es gibt kein Ranking im Cosplay, kein echtes Podest.
Was zählt, ist dein eigener Weg. Und wie du dich darin fühlst.
Wenn du das Gefühl hast, du musst nur noch liefern, dann nimm Abstand.
Hol dir Raum zurück.
Triff Leute, die dich nicht fragen „Was machst du als Nächstes?“, sondern „Wie geht’s dir eigentlich?“
Sprich mit denen, die zuhören. Nicht mit denen, die dich messen.
Der Wert deiner Arbeit liegt nicht in der Menge.
Der Wert liegt in der Verbindung, die du zu ihr hast.
Und wenn die gerade fehlt – ist das kein Versagen. Es ist ein Zeichen.
Ein Zeichen dafür, dass du kurz stehen bleiben darfst.
Durchatmen. Nachdenken. Fühlen.
Und dann, wenn du bereit bist – kannst du wieder loslegen.
Aber nur, wenn du willst.
Nicht, weil man es erwartet.
Sondern weil du wieder Freude spürst.
Bleib mutig! – Dein ArtymusCrafts
